Dr. Ernst Friedrich Sieveking. Präsident des HH Oberlandesgerichts. | Bildquelle: Wikipedia, frei von Lizenzrechten.
Dr. Ernst Friedrich Sieveking. Präsident des HH Oberlandesgerichts. | Bildquelle: Wikipedia, Foto frei von Lizenzrechten.

Auch ein Familienname, dem Hamburg eine Straße gewidmet hat. Oder besser gesagt einen Platz, nämlich den Sievekingsplatz vor dem Oberlandesgericht. Und das war kein Zufall, denn Friedrich Sieveking, um den es hier hauptsächlich geht, war zwar auch als Senator tätig, aber vor allem als Präsident des Gerichts. Folgt man seiner Ahnenreihe, wird man unweigerlich aus Hamburg hinausgeführt. Das ist bei allen Familien so und hat oftmals mit dem 30-Jährigen Krieg zu tun. Der betraf ganz Europa und hatte wohl zu einer wahren Völkerwanderung geführt. Aber auch spätere Glaubenskriege und Hungerjahre vertrieben die Menschen aus ihrer Heimat. Die Familie Sieveking stammte aus Westfalen, wo ihr Name schon im 11. Jahrhundert regelmäßig auftauchte. Irgendwann haben sich die Söhne auf den Weg gemacht und ließen sich dann an einem anderen Ort nieder, wo sie gute Lebenschancen für sich und die Kinder sahen. Bei der Familie Sieveking war es Peter Niclaes, der im Winter 1734 seine westfälische Heimat verließ und nach Hamburg ging. Er war Leinenhändler und konnte die kritischen Hamburger Tuchhändlern schon bald von der Qualität seiner Ware und seiner Arbeit überzeugen.

Im Februar 1747 erwirbt Peter Niclaes Sieveking den Hamburger Bürgerbrief. Drei Jahre später heiratet er Catharina Margaretha Büsch und weitere zwei Jahre danach hat er genug Geld, um ein Haus im Grimm zu kaufen. Nun fehlen nur noch die Söhne, um eine erfolgreiche Kaufmannsfamilie zu etablieren. Töchter werden nicht berücksichtigt, sind aber unverzichtbar, um enge Verwandtschaft zu wichtigen Familien anzuknüpfen.

Die Hoffnungen, die Peter Niclaes im Gepäck hatte, als er in Hamburg ankam, gingen in Erfüllung. Drei Söhne werden geboren und damit ist die Grundlage für ein erfolgreiches Familienunternehmen geschaffen. Der älteste Sohn, Georg Heinrich, wird Teilhaber im Handelshaus von Caspar Voght. Seine Ehe mit Johanna Reimarus öffnet die Tür zu einer hoch angesehenen und bestens vernetzten Familie innerhalb der Hamburger Gesellschaft. Der nächste Sohn, Heinrich Christian, schafft den Sprung ins Rathaus als Senator. Der jüngste Sohn, Peter Sieveking, wird studieren und schließlich als Jurist seinen Weg machen. Auch das ist eine Tradition in der Familie Sieveking. Er wird Syndicus des Senats (juristischer Berater) und als Gesandter und Bevollmächtigter unterwegs. Er vertrat unter anderem die Interessen der Hansestadt auf dem wichtigen Reichstag zu Regensburg. Heinrich Christian heiratete Carolina Baur, die Tochter des Bankiers und Bürgermeisters zu Altona.

Schon die Enkel von Peter Niclaes werden die Firma Sieveking über Deutschlands Grenzen hinaus entwickeln. Sie gründen u.a. in London eine erfolgreiche Niederlassung. Mit den Urenkeln schließt sich der Kreis, denn zu ihnen zählt Friedrich Sieveking, der Oberlandespräsident von Hamburg. Sein Name war mir bekannt, bevor ich ihn auf einem Grabstein im Friedhof Ohlsdorf gelesen habe. Dort lag er also begraben, neben seiner Frau Olga Amsinck, Tochter der bekannten Kaufmannsfamilie. Ihre Ahnenreihe ist atemberaubend, führt nämlich direkt in die Salons der reichsten und wichtigsten Hamburger Familien der damaligen Zeit: Gossler und Berenberg.

Schon der Vater von Ernst Friedrich Sieveking hatte Jura studiert und natürlich war das auch für seinen Sohn so vorgesehen. Widerspruch wurde wohl nur selten erhoben, man folgte den Plänen der Eltern blind. Zum Glück gab es auch Töchter, die durch die Wahl ihrer Ehemänner etwas Abwechslung in die Familie brachten. Für Alice hatte man Eduard Lorenz Meyer ausgesucht und war damit in eine der ältesten Hamburger Weinhändler-Dynastien hineingerutscht und für ihre Schwester Olga wurde Rudolf Petersen als Ehemann akzeptiert. Auch er war ein sehr erfolgreicher Hamburger Kaufmann. Die Hamburger dankten ihm aber für eine andere Aufgabe. Er wurde nämlich in der kritischen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von der britischen Militärregierung zum Ersten Bürgermeister von Hamburg ernannt. Eine Mammutaufgabe lastete damit auf seinen Schultern. Er traute sich, lief nicht weg, sondern stellte sich der Herausforderung. ‚Old P.‘, wie man ihn nannte, koordinierte den Beginn des Wideraufbaus, bis dann im November 1946 erste ordentliche Wahlen durchgeführt wurden.

 

 

Aber nun habe ich mich verbal von der Familie Sieveking nahtlos zur Familie Petersen verirrt und könnte problemlos zu einem Dutzend anderer bekannter Namen wechseln, sobald ich auch nur ein wenig an der Oberfläche kratze. So ist das nun mal in hanseatischen Kaufmannskreisen, man kennt sich untereinander, ist durch Heirat verbandelt und hilft sich, falls es nötig wird. Zum Glück haben sie alle ihre Grabstätte in Ohlsdorf bestellt und deshalb kann ich hier kurz über lang jeder Familie einen eigenen Beitrag widmen. Es bleibt also spannend und man wundert sich, wie viele große Namen in unserer Stadt ihre Heimat fanden.

 

Grafik: Brigitte Peters | 4 Generationen der Familie Sieveking. Von Peter Niclaes bis zum Ur-Enkel Ernst Friedrich.