Beim Nordteich fällt mir eine Grabanlage ins Auge. Grund ist der eindrucksvolle Löwe auf dem Fels neben dem Grabstein. Man kann ihn nicht übersehen. Die Grabstätte ist eigentlich nicht besonders groß oder pompös gestaltet, aber das wachende Tier ist ohne Frage ein Hingucker. Wer liegt hier begraben? Ich kann die Inschrift auf der bronzenen Gedenktafel gut ausmachen; sie hat die Zeit schadlos überstanden. Und trotzdem muss ich mich Buchstabe für Buchstabe an den Sinn herantasten, denn die Lettern sind nicht leicht zu unterscheiden. Dann aber habe ich es mir zusammen gereimt. Dort steht geschrieben: ‚Johannes Dalmann – Wohl ihm er starb / eh Alter ihn geschwächt / die Frucht erfreut ein / kuenftiges Geschlecht‘. Nun ja, alt wurde er wirklich nicht, geboren 1823 und im August 1875 gestorben. Also mal gerade 52 Jahre.

Dalmann stammte aus Lübeck. Der Vater war Schiffskapitän und so kam es, dass er „an und im Wasser“ aufwuchs, wie er es selbst beschrieb. Das Wasser wurde ihm zur Leidenschaft und früh formulierte er seinen Berufswunsch mit den Worten: „Ich will Herr des Wassers werden“. Das ist ihm durchaus gelungen und wir Hamburger können froh sein, dass er seinen Traum in unserer Stadt Wirklichkeit werden ließ.

Dalmann studierte an der Bauakademie in Berlin, wurde Fachmann für Hydrotechnik und fand eine Anstellung in der Hamburger Wasserbaubehörde. Dort diskutierte man gerade über den anstehenden Ausbau des Hafens. Sollte man die Docklösung wählen, und sich damit von Ebbe und Flut unabhängig machen, oder war ein jederzeit frei zugänglicher Tidehafen die bessere Idee? Dalmann favorisierte den Tidehafen und war sich sicher den auch bauen zu können. Er überzeugte den Senat und hielt sein gegebenes Wort. Damit wurde Hamburg zu einem der schnellsten Häfen der Welt. Die Schiffe konnten jederzeit ein- und auslaufen und dank der tiefen Hafenbecken bis an die Kaikante fahren. Dort wurden sie dann be- und entladen, indem die Güter vom Schiffsbauch direkt in den Kaispeicher oder den Eisenbahnwaggon umgeladen wurden. Noch heute profitieren wir Hamburger von Dalmanns genialen Entwurf. Gerade 33 Jahre alt, wurde er Nachfolger von Heinrich Hübbe im Amt des Wasserbaudirektors. Für Hamburg ganz gewiss ein Glücksfall. Seine kurz bemessene Lebenszeit reichte ihm, um seinen Tidehafen zu realisieren.

 

 

Sein Grabmal, besonders der Löwe, begeistern mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich dort entlang komme. Das Gesicht des Tieres ist es, dass mich so interessiert. Die sorgenvolle Stirn in Falten, der Blick ins Leere, die Anspannung bis in die Barthaare sind deutlich zu sehen. Das Tier wirkt hoch konzentriert und doch ratlos. Ich hoffe, ich gebe nicht zu viel von mir preis, wenn ich gestehe manchmal zu glauben mein Spiegelbild zu sehen. Warum man aber für Dalmann einen Löwen zur Bewachung wählte, konnte ich bisher nicht ergründen. Ich habe lediglich herausgefunden, dass die ursprüngliche Grabanlage größer war. Sie war zunächst in Eilbek errichtet worden und wurde dann nach Ohlsdorf verlegt. Dabei blieben aber die meisten Dinge am alten Platz stehen.

Hamburg hat Johannes Dalmann auch durch einen Gedenkstein auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof (vor der Christus-Statur am Eingang Ohlsdorf) geehrt und seiner Büste begegnet man auch auf der Diele des Rathauses.